Peinlich genau wischt er mit einer Serviette die Bierbank ab, auf der jemand seine Maß ausgekippt hat, „brauchst noch Sagrotan“, höhnt es gegenüber; das Zelt schwappt über mit Euphorie, alles ist bierfeucht und selig auf diesem klebrigsten aller Feste, für das ich mich herausputze wie für einen Ball, mit Zopf und Ohrringen, um dann Remouladensauce auf die Schürze zu klecksen, dieses Fest, bei dem ich Mitternachtsfischsemmeln als vollwertige Ernährung durchgehen lasse, runtergespült mit literweise Bier.
Dieses Fest, das aussieht wie ein bunt blinkender LSD-Trip, wie das Regenbogenlevel in Mario Kart, und dann fliegt ein Einhornluftballon auf die pastellfarbenen Zuckerwattewölkchen zu, hinweg über hunderte Besucher, die von allen Kontinenten auf die Theresienwiese strömen und sich auf Schlossgroße Zelte verteilen; überdimensional wie die Maßkrüge, die klirren und krachen und überschwappen.
Spiderman rennt vorbei und der Hawaiihemdenträger fällt seinem Handy hinterher in den Dreck, Game Over, wie der Notfall in der gelben Trage, der vorbeigerollt wird, beiläufige Blicke, vorbeigerollt an einer Plastikrose, die mit Strahlen und Kniefall überreicht wird, vorbei an Plastikbrüsten in Spitzenblusen, die aus dem Käfer stöckeln.
Auf der Oidn peitschen die Goaßlschnalzer so laut, dass das Wummern und Dröhnen der Cyber Spaces und Techno Powers kaum zu hören ist, diese mächtige Geräuschkulisse, die die Wiesn wie eine Glocke umgibt, in die sich die Schlager aus den Zelten mischen und das Lachen und das Schreien, das „Eeeeeeinsteigen“, das durch das Labyrinth aus Karussells und Standln und Zelten hallt; das Labyrinth, das alle paar Schritte anders riecht, nach Hendln, Mandeln oder den Lachen menschlicher Ausscheidungen, Euphorie auf Ekel und wieder von vorn, eeeeeinsteigen bitte.
Hinter dem Hau-den-Lukas lehnt ein Mädel und malmt ihre Nüsse stoisch wie ein Gnu, Bedienungen klatschen Bierbänke auf Tische und kippen Wassereimer über das Gröbste, raus jetzt, jeder beißt in Panade, Würste oder Fetzen, Remoulade tropft, Servietten segeln zu Boden, Menschen hinterher, stütze sich wer kann, im Teufelsrad fallen sie alle.
Schamlose Rülpser mischen sich in den Lärm, in den Autoscooterpop, ein Brüllen und Tippen auf viel zu kleinen Bildschirmen, wo seid ihr, sich überschlagendes Kreischen von oben, eine letzte Runde, ich halte mich am Schnapsstand fest, gleich geht’s heim, gleich, nach den anderen, ein Obstler noch, noch einer, hier sind die Verpassten von vorhin beisammen, fallen sich in die Arme, reden durcheinander, reden über das Klirren der Glasscherben hinweg, die jetzt über die Wiesn getreten werden, über die Papierfetzen und verlorenen Plastikrosen. Das Klirren, das immer zarter wird, zärtlich beinah.
„He’s fine“, sagt draußen ein Chinese zu einem skeptisch Nüchternen und meint den, den sie in ihrer Mitte festhalten, tobend und sabbernd. Resigniert hat ein Orientierungsloser seinen Kopf in den Händen vergraben. Um den Mann mit der Gitarre neben dem Haupteingang hat sich eine andächtig zuhörende Traube gebildet, „maybe, you’re gonna be the one that saves me“. Und die versprengten Übriggebliebenen, die jetzt so traurig verloren wirken, werden morgen wieder wissen, dass sie es nicht sind.