Das Fest der Liebe hat seine ganz eigene Dramaturgie: Weihnachten in Wortfetzen.
Prolog
Chor singt: Sehen wir uns noch vor Weihnachten, sehen wir uns noch vor Weihnachten?
Wann kommst du? Wollte nur mal fragen, dann warten wir mit Baumschmücken… Ja, ich muss auch noch fertig einpacken… Weißt du schon ungefähr, welche S-Bahn?
Akt I: Vorbereitungen
„Können wir nicht einen Wein aufmachen zum Baum schmücken?“ „Mit wem schreibst du denn schon wieder?“ „Hinten muss man schon auch was hinhängen!“ „Also das hält da so auf keinen Fall.“ „Wo ist denn der Rest vom Baumschmuck? Nein, sonst hatten wir immer mehr!“ „Ich glaub, langsam reicht’s. Gibt’s noch Wein?“
„Sieht so schön aus der Baum, ist wirklich besonders schön geworden.“
„Bist du schon fertig?“ „So gut schaust du wieder aus. Den Rock kenne ich ja noch gar nicht!“ „Kooomst du?“ „Ich bin ja gleich fertig! Hast du vielleicht ne Schere?“ – Türklingel – „Ach, schön, dass du da bist! Frohe Weihnachten!“ „So schön, hier zu sein! Wo kann ich denn meine Geschenklein hintun?“ „Klingelt das Christkind einfach noch sein Glöckchen, wenn es die Kerzen fertig angezündet hat? Was macht es denn so lang da drin?“
Klopfklopf
„Papa, wie lange braucht das Christkind denn noch? Nein, warte, mach die Musik lauter!“
Akt II: Auf die Plätze, fertig, Heiligabend
Jetzt aber, „Frohe Weihnachten!“, „Dir auch, dir auch, dir auch“
Küsse, Umarmungen, beseelte Blicke
„So ein schöner Baum!“ „Das ist wirklich der schönste Baum, den wir jemals hatten!“ „Der aufwendigste, wir haben eine Säge von den Nachbarn geliehen um ihn in den Ständer zu kriegen.“ „Wir dachten er geht nicht rein, ich bin vorhin noch durch die halbe Stadt gefahren, um einen neuen zu finden. Weihnachten ohne Baum, das geht doch nicht.“ „Zum Glück hat es geklappt, wirklich ein besonders schöner Baum!“ „Wie haben die Nachbarn geschaut, als ihr an Heiligabend nach einer Säge gefragt habt?“ „Wirklich, ein wunderschöner Baum.“ „Mit meiner Kamera verzieht es den Kerzenschein immer so, zu dunkel hier.“ „Mach du mal, das Iphone hat die bessere Kamera“
„Die roten sind alle für mich? So viele Geschenke! Das hätt’s doch nicht gebraucht.“ „Wenn es dir nicht passt, können wir es umtauschen, ich hab den Zettel noch. Musst du ehrlich sagen!“ „So schön, danke!“ „Wir schenken uns ja dieses Jahr nichts, aber das hier ist wirklich nur eine Kleinigkeit“
Akt III: Die Fotos, das Essen
„Jetzt stellt euch mal alle näher nebeneinander, nein, ein Stück rüber, sonst sieht man ja nichts von dem schönen Baum.“ „Schau nicht so blöd.“ „Der Junge ist einfach zu groß, wie sollen denn so alle auf ein Bild passen!“ „Ach, jetzt habe ich meine Kamera wieder vergessen, könnt ihr mir die auf meinen Computer schicken? Geht das?“ „Du musst hier drauf drücken, auf den Bildschirm, dann wird es scharf.“
„Ich weiß nicht ob es Fotos gemacht hat, es blitzt ja überhaupt nicht!“ „Die sind ja alle unscharf!“ „Oh nein, jetzt habe ich dir immer den halben Kopf abgeschnitten. Aber ich verstehe nicht wieso, ich habe extra geschaut ob dein ganzer Kopf drauf ist!“ „Du musst den Daumen da wegnehmen.“
„Das lang doch jetzt langsam, jedes Jahr die gleichen Fotos!“
„Das hast du wieder so toll gekocht!“ „Auf Heiligabend!“ „Kannst du jetzt aufhören, das Essen zu fotografieren, das macht doch kein Mensch mehr!“ „Der Wein ist auch richtig gut!“ „Hier riecht’s seltsam, brennt da was?“ „Schnell, mach mal die Kerze aus!“ „Vielleicht sollten wir den Baum besser auspusten“
„Nein, nicht die gleiche nochmal, leg doch mal Weihnachten 1 rein, die heißt einfach Weihnachten 1“ „Krass, ist das heiß hier drin, können wir vielleicht kurz lüften“ „Und wie lang hast du das Fleisch dringelassen?“ „Kommt so kalt rein, machst du zu?“ „Hast du die Johnny Cash schon fertig gebrannt?“ „Das Internet ist so lahm“
„Nur noch ein gaaanz kleines bisschen für mich“ „Bin ich voll“ „Der alkoholfreie Sekt ist gar nicht schlecht, vielleicht mache ich noch einen Schuss Aperol rein, oh, lecker!“ „Nur zum Probieren“ „An Weihnachten kontrollieren die doch eh nicht.“
Akt IV: Der Rest vom Fest
„Wie?“ „Das haben wir doch immer so gemacht“ „Überhaupt nicht“ „Doch, das haben wir immer so gemacht“
„Kannst du das vielleicht jetzt mal lassen, das ist echt überhaupt nicht witzig“ „Wo bist du denn, bist du sauer?“
„Jaja, ich weiß, das hast du mir gestern schon erzählt“
„So lustig, der Oh Tannenbaum lief neulich wieder, echt original die Wiener Oma, na, für mich braucht ihr nichts machen, ich hol mir dann was am Bahnhof“
„Habt ihr jetzt wirklich die ganze Flasche Schnaps getrunken?“ „Meine Kinder sind Alkoholiker“ „Ich fahr jetzt dann auch bald“ „Nein, ich bin nur müde“
„Das ist echt kompliziert“, „Nein, UNO ist wirklich das einfachste Kartenspiel der Welt“, „Was heißt nochmal plus Zwei?“, „Kann ich die jetzt da drauflegen“, „Wie, achso, die Richtung hat sich geändert, das müsst ihr doch sagen!“
„Du rauchst gar nicht mehr so viel, gell? Willst du aufhören?“
„Und ihr wisst nicht, was man da machen muss, wenn der Scanner sagt, er ist nicht mit dem Computer verbunden?“ „Das musst ihr euch echt unbedingt anschauen, das ist so lustig“ „Wann schaust du eigentlich diese ganzen Serien?“
„Gibt’s noch Vanillekipferl?“
„Wann gibt’s eigentlich wieder Essen?“ „Ich kann schon wieder essen, ich glaub mein Magen hat sich geweitet“ „Nein, morgen muss ich dann wirklich wieder arbeiten“
„Ach, mach doch selber, das nervt, echt“ „Da könntet ihr doch vielleicht mal zu mir kommen, dann schauen wir uns die Fotos an?“
„Sicher, dass niemand mehr kommt, wer soll denn das alles essen?“ „Wollen wir nicht den Baum nochmal anmachen? Der Baum ist wirklich der schönste, den wir je hatten!“
„Wollen wir noch eine Runde spielen?“ „Ich muss jetzt echt mal telefonieren“ „Was heißt das denn, wenn die Zahl da unterstrichen ist?“
„Jaja, ich weiß, hast du erzählt. Wirklich!“
„Ich halt das nicht mehr aus“
„Will irgendjemand noch Schnaps?“
Epilog
„War so ein schönes Weihnachten!“ „Weihnachten ist so gemütlich!“ „Danke, das war so schön, Weihnachten bei euch!“ – Umarmungen – „Schickst du mir dann die Fotos?“ „Vielleicht kannst du ja mal vorbeikommen und dir meinen Scanner anschauen?“
„Was macht ihr eigentlich an Silvester?“
Tür fällt ins Schloss.