Wie es ist, in der Lieblingsstadt nur zu Besuch zu sein. Und warum Airbnb-Wohnungen die beliebtesten von allen sind.
Ich kaufe Wasser im Supermarkt. Nur Wasser, kein Brot kein Käse keine Sardinenpaste, wofür das in einem Hotel. Não, ich brauche keinen Stadtplan, ich war schon mal hier, sim sim.
Tropischer Regen, feine Tropfen die in der Luft hängen. Lissabon ist auch im Regen schön, schmutzig-verwaschen schön. Manche tragen Wintermäntel, Daunenjacken und Lammfell, die anderen Pullover; wie in den ersten schönen Tagen, wenn die einen den Temperaturen noch nicht trauen und die anderen es nicht erwarten können in Flip Flops rauszugehen, und so stehen sie um den Kiosk gedrängt.
Mein Arbeitsplatz, der Park, ist Baustelle, von Gittern umzäunt. Ein einsamer Arbeiter fährt auf einer Planierraupe spazieren. Keine Karten spielenden Rentner, keine krumme, runzelige Frau, die Tauben füttert. An dem ausgebrannten Haus, von dem täglich die gelbe Grinsekatze grüßte und ich im Stillen zurück, an dem Haus hat sich ein anderer Sprayer ausgetobt. Hat das Grinsen ausgelöscht, mit fantasielosem Graffiti überschmiert. Die zweite Treppe herunter, um die steile Kurve, da oben ist mein Balkon. Unverwüstlich, niemand sitzt dort und ich streiche im Vorbeigehen über die Haustür die meine war, die hölzern verschnörkelte Haustür, und sie steht offen, knarzt, als wolle sie Hallo sagen. Wie so oft, sie fällt nicht einfach zu, und das Schloss ist nur mit einem Trick zu schaffen, ich beherrsche ihn.
Ich könnte jetzt die Stufen hochlaufen wie sonst, aber ich habe hier nichts verloren. Ich kenne dort niemanden, in meinem, in unserem Zuhause leben jetzt andere. Ich hätte nicht einmal einen Schlüssel. Gelogen, ich habe ihn. Einer der vielen, die in den Zimmern verstreut lagen, er war ins Zwischenfutter der Handtasche gerutscht, es war keine Absicht. Irgendwann wühlte ich nach etwas, Kleingeld vielleicht, und da stießen meine Finger auf ihn, auf das kleine Plastiketikett, krakelig „Alegria“ darauf geschrieben. Es fühlte sich kurz schön an, und dann fühlte es sich an wie es sich anfühlte, das Verschwinden der Grinsekatze zu bemerken. Ich hätte ihn wegwerfen können, aber ich bin schlecht darin, im Wegwerfen.
Airbnb-Wohnungen sind die meistgeliebten von allen. Wie viele Leute damit eine besondere Zeit verbinden, einen Urlaub, ein Auslandssemester. Wie viele sich in Anflügen von Alltagslangeweile in unseren düsteren, engen Hinterhof wünschen, mit seinem albernen Plastikgrasboden und den vielen Mücken. Wie viele Leute dort gegrillt und Wein getrunken und Wäsche aufgehängt haben. Wie viele Leute sich an kalten Abenden, die in der Wohnung noch kälter sind, müde auf dem roten Sofa eingerollt haben, im Wohnzimmer, das eigentlich nur ein verbreiteter Flur ist. Den seltsamen Kunstdruck über dem Fernseher anstarrend, bis jemand den Fernseher einschaltete und vorgab portugiesisch zu lernen, mit den Untertiteln. Und dann alle portugiesisch lernten und einer sich erbarmte und Super Bock im Minimarkt holte. Wie viele Leute über die Holzdielen gepoltert sind und ihre Mitbewohner so geweckt haben, und ob es den anderen auch egal war, oder ob sie gestritten haben, und wie sie die Ameisen bekämpft haben.
Airbnbs sind die Stars unter den Wohnungen, mit geschönten Fotos im Netz unter denen sich die Liebeserklärungen schichten, „had the best time, would stay here again!“
Ich bleibe vor dem Minimarkt stehen, will Wasser kaufen und lasse es, vielleicht würde der Inhaber mich erkennen und sich freuen und fragen, ob ich zurück wäre und wie das Schreiben läuft und ich habe keine Lust darauf, und wahrscheinlich würde er mich nicht erkennen und vielleicht wäre das traurig.
Die Stadt ist auch ohne lila blühende Bäume und Strandwetter bezaubernd. Abends schimmert das Licht gelb auf den Fliesen und ich rutsche nicht auf ihnen, und alles hat etwas albern Nostalgisches, wie einen alten Liebhaber auf einen Kaffee zu treffen; dieser Impuls, seine Hand zu nehmen wie früher, wenigstens über die feinen Haare auf seinem Handrücken streichen, aber es geht nicht mehr. Da ist diese Distanz, und das ist in Ordnung und sticht trotzdem.
Ich laufe über Schachbrettmuster und Sterne und Schnörkel, die Sonne kämpft sich durch, ich lande auf einer Palastterrasse und ein Künstlerpaar erklärt seine Installation. Ich rauche zu viel und trinke Bier mit einem, der den Trick auch noch kennt, und wir ziehen durch die Bars, die noch hier sind und trinken eine Spezialität des Hauses, in der ein Stück Thunfisch versenkt ist. Die Stadt hat mich wieder, es ist schon Morgen, aber zu lange bis Sonnenaufgang und alleine durch die Nacht zu irren ist nie der gleiche Spaß. Und plötzlich ist da das Gefühl, lange nach der Vorstellung über eine leere Bühne zu laufen, und die Katze grinst nicht mehr.
Aber im übermüdeten Morgen ist es mehr, als wären große Ferien und alle weggefahren, nichts zu tun. Nichts, außer am Tejo rumzuhängen und Galão zu trinken mit Sonne im Gesicht. Die Exliebe bemüht sich. Vielleicht will sie mich zurückgewinnen, dieses listige Ding. Und ich kaufe eine Tüte voll Sardinenpaste im Supermarkt.